„Der Dialekt lebt“. Diese Aussage ist oft zu hören und zu lesen, und gewiss ist er nicht tot; der Heimatliebe sei Dank. Aber so ein richtiges Vollblutleben ganz aus eigener Kraft scheint er doch nicht mehr zu führen. Anders bedürfte er keiner sprachpflegerischen Hilfestellung, um sein Schwin¬den zu hemmen; Hilfestellung in Form von Büchern wie dem hier vorliegenden oder eines Mundartvereins. Sie kommen eben gerade auf, wenn seine Bedeutung im Alltag schwächer wird, so dass nostalgische Mühewaltung sich seiner annimmt.
Die Wurzeln unserer Sprache wie die unseres Dialekts gehen weit in die Vergangenheit zurück. Ganz am Anfang steht das uralte Sanskrit, auf dessen Grundlage sich auf dem Weg nach Westen die ganze Palette der indogermanischen Sprachen entwickelt hat. Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. findet sich im Gebiet von unterer Elbe und Oder bis Skandinavien ein Kulturkreis, in dem Trichterbecher- bzw. Megalithgräberkultur und Streitaxt- bzw. Bandkeramikerkultur ver¬schmolzen sind. Diesem Kreis rechnet man die Germanen zu. Vermutlich überlagerten die Streitaxtleute, denen man die idg. Sprache zuschreibt, die ältere Megalithkultur, die wohl nicht idg. war. Infolge dessen lässt sich im germanischen Grundwortschatz ein nennenswerter Anteil von Wörtern nicht-indogermanischen Ursprungs finden. Weitere sprachliche Wechselbeziehungen ergaben sich zu den Kelten in Westeuropa.
Der Rheingau liegt im mitteldeutschen Sprachraum; mitteldeutsch hier verstanden als Mitte zwischen Nord und Süd, d. h. zwischen Nieder- und Oberdeutsch. Der Raum fängt westlich der Linie Köln – Straßburg an, geht von Köln gerade nach Osten, am Südrand ostwärts bis Nürnberg und nimmt dann an Tiefe langsam ab, bis er sich an Oder und Neiße verläuft. Zwischen Fulda und Werra liegt die Trennlinie von west- und ostmitteldeutsch. Im Nordwesten des westmittel¬deutschen Bereichs vom Hunsrück bis zur Mosel und im Westerwald wird moselfränkisch gesprochen. Im Südwest- und Ostteil von der pfälzisch-elsässischen Grenze über Karlsruhe bis zum Zweistrom¬land zwischen Fulda und Werra, nördlich abgegrenzt durch Nahe und Taunusausläufer liegt unsere Region, in der rheinfränkisch gesprochen wird. Nochmals teilt sich dieser Bereich etwa an der Linie Darmstadt – Frankfurt – Untertaunus; von da ab nach Osten babbelt man hessisch. (Wer den Verhältnissen über diese dürre Beschreibung hinaus nachspüren möchte, dem wird ein Blick auf die Landkarte sicher helfen).
Das Wörterverzeichnis führt fast ausschließlich Dialektwörter auf, umgangssprachliche nur insoweit, als sie für den Rheingau eine typische Bedeutung haben.
Peter-Michael Eulberg