Aach Gude - Rheingauer Wörterbuch

„Jede Mundart ist Volksmundart, heimlich und sicher, aber auch unbeholfen und unedel, dem bequemen Hauskleid, in welchem nicht ausgegangen wird, ähnlich. Im grunde sträubt sich die schämige Mundart wider das rauschende Papier, wird aber etwas in ihr aufgeschrieben, so kann es durch treuherzige Unschuld gefallen.“
Joseph Kehrein, Volkssprache und Wörterbuch von Nassau, Zitat aus dem Vorwort

Nit nur für Haargeloffene!

Reichen die Wurzeln der Heimatsprache, wie Hedwig Witte in einem Gedicht sagt, immer noch „dief in de Boddem“ wie Rebwurzeln? Wir haben inzwischen von den Geisenheimer Forschern gelernt, dass die Rebe da, wo sie ausreichend Wasser in Oberflächennähe findet, gar nicht so tief wurzelt. Was die Sprache angeht beobachten wir, dass immer weniger Menschen im Rheingau von Klein auf das sprechen lernen, was wir Mundart nennen - auf gut Griechisch „diálektos“ - von légein „sprechen“ und día „auseinander, anders". Unsere Kinder lernen die Mundart bei der Fassenacht und bei den „Schlappmäulcher“ unseres Mundartvereins wie eine Fremdsprache. Die Vielen, die im Rheingau vorübergehend oder dauerhaft „zuziehen“ sind mit eigenen Mundarten, mit der Hochsprache oder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch aufgewachsen. Sprache ist etwas Lebendiges. Sie entwickelt sich weiter mit denen, die sie sprechen. Wie viele Sprachen sind mit den Sprecherinnen und Sprechern ausgestorben!

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Kennen Sie die ...?

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Spundekees

der, kein Pl., u kurz und betont, allg. für eine Käsespezialität, die kegelartig in Form ei­nes Spunde (Fassverschluss) aufgetra­gen wurde. Diese Form des Servierens ist nicht mehr allg. üblich; meist werden mit einem Eisportionierer geformte Kugeln dargeboten. Wich­tig ist, dass die Mischung stimmt: weicher Käse, Ei, Gewürz, viel Paprika und Zwiebel. Spund von lat. (ex)punctum: Herausgestochenes.

Fissemadende

die, nur Pl., kurze Vokale, vorletzte Silbe betont, wird immer wieder für den Dialekt rekla­miert, ist auch stark heimisch für ‚Um­stände machen’. Aber nicht nur Fritz Reuters Gedicht über das Wort, son­dern vor allem seine Aufnahme in den Wortschatz von Duden bezeugen seine allgemeine Verbreitung. Nach Kluge sind Fisimatenten Ausflüchte, Winkelzüge; vermutlich Streckform zu frühnhd. fisiment: bedeutungsloser Zierat an Wappen, aus mhd. visieren: die Wappenfiguren ordnen und beschreiben. Etwas weiter hergeholt erscheint die Interpretation, wonach der Ursprung in einer Verballhornung von Begriffen aus der Kanzleisprache der Barockzeit stamme (etwa ‚visae patentes’). Daneben halten sich beharrlich zwei volkstümliche Ableitungen aus dem Französischen. Entweder „Visite ma tente“: Besuche mein Zelt! Mit die­ser Aufforderung sollen französische Besatzungssoldaten die einheimischen Mädchen zu sich eingeladen haben. Oder „Visite ma Tante“: meine Tante besuchen als Ausrede dieser Mädchen, wenn sie der Einladung nachgeben wollten, oder als Ausrede der Soldaten,wenn sie Ausgang haben wollten. Besorgte Mütter pflegten auch noch in jüngerer Zeit ihre allein ausgehenden Töchter davor zu warnen, Fissema­dende zu mache: leichtsinnig mit Männern ãnzubennele (s.d.).

Bennelgadd

die, ohne Pl., kurze Vokale, erstes e betont, schrspr. Bändelgarde, nicht mehr im Ge­brauch. Das Wort bezeichnete einen freiwilligen Zusammenschluss von Mainzer Bürgern um die Mitte des 19. Jahrhunderts zur Hilfeleistung in Not­fällen. Sie trugen eine Binde um den Arm, was den Namen nahe legte. In der Nazizeit hieß die SA hinter vorgehaltener Hand em Adolf sei Bennelgadd.